Gebt mir eine Bühne, ich komme!

Noch nie war Hornhautsalbe so explosiv wie das, was Nepo Fitz auf den Bühnen von Garmisch bis Frankfurt am Main abliefert. Das böse Wort Musikkabarett vermeidend, das sich für Nepo Fitz anhört wie eben jener Balsam für geschundene Körperteile, haben wir mit ihm über sein neues Programm gesprochen, das keinen Namen hat, und das er im Februar 2024 bei den Passauer Starkbiertagen präsentieren wird.

+++ Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von INNSIDE-Magazin Passau +++ Quelle: INNSIDE-Magazin vom 01.12.2023 +++ Text: Claudia Saller, Fotos: Flo Dermastia, RPMC, fotoartista

>> zur PDF-Version

Nepo, in Ihrem Pressetext zum aktuellen Programm heißt es: „Exakt eine Stunde feuert der Musiker, Schauspieler und Comedian aus allen Rohren: eine lebende Pyrotechnik-Batterie. […]“, worauf darf sich Ihr Publikum bei den Passauer Starkbiertagen freuen? Müssen wir einen Feuerlöscher mitbringen?

Ob, wie und worauf wir uns alle freuen, werden wir sehen. Warum sollte der Zuschauer jetzt schon mehr wissen als ich? Es ist spannender, wenn wir gemeinsam im Dunkeln tappen, bis das Licht angeht.

Als Tremor-Auge im Sturm des Live-Gewitters nehme die Energie im Raum auf, lass sie durch meinen Rampensau-Filter laufen und entlade das Ganze dann gemeinsam mit dem Publikum in den (ursprünglich) gemütlichen Abend. Schauen wir mal.

Wie aus einem Vulkan sprudeln die Gags und Pointen aus Ihnen heraus, wie und wo schreiben Sie ihre Programme?

Wo die Gedanken herkommen, ist mir selbst ein Rätsel. Woher die Antworten kommen, das ist klar – aus dem täglichen Bootcamp-Training mit der Familie. Als ich einmal erzählte, dass ich zwei Tage zum Wandern bin, um „den Kopf frei zu kriegen“, kam von meinem Vater prompt die Antwort: „Na, da warst ja gleich fertig.“

In meiner Welt, vor allem Bayern, begegne ich Menschen, die so authentisch und urwüchsig sind, dass sie keinerlei Überzeichnung benötigen – sie sind im echten Leben noch unglaublicher als jedes Klischee. Denk an den Wirt, der wie ein Filmcharakter aus einem Tarantino-Film scheint, der in seinem Wirtshaus lebt und atmet – unerschütterlich ist in seiner vollkommen unbegründeten Selbstsicherheit – genau wie ich. Es gibt so viele wundersame Wesen da draußen: detailbesessene Eventplanner, manische Vorabendserien-Fans, volltrunkene Kabarettexperten, und und und…

Kabarett ist das hinterfotzige Unterfangen, meine vorurteilsbehaftete und selbstverständlich vollkommen ungerechte Sicht auf diese Welt niederträchtig und anonymisiert auf die Bühne zu bringen. Nur der, der der’s war’s, weiß, das er gemeint ist.

Hat dir das Aufwachsen in einer Künstlerfamilie das genaue Hinschauen und Hinhören beigebracht?

Definitiv. Vor allem die Konsequenz daraus. Beispiel: Lange bevor der erste Besoffene im Skilager mit 13 auf mich zukam – „He, jetzt trink halt auch mal mit!“ – , hab ich akkurat diese Situation samt Charakter schon von meinem Vater vorgespielt und von meiner Mutter analysiert bekommen. Als der prophezeite Moment dann schließlich eintrat, war ich– samt schlagfertigem Antwortenkatalog – quasi „immun“. Im Gegensatz zu zwei Dritteln der Bayern erlebe ich mein Leben also nüchtern – Segen und Fluch! Da ist die Bühne der unvermeidliche Ausweg, um das Gehörte und Beobachtete auszusprechen. Vollkommen folgerichtig, dass ich vor Hopfen-Gurus bei einem Starkbierfest nüchtern als Trockenhumor-Terrier auftrete!

Einziger Gruselfaktor: Laut psychologischer Theorie zeigen die Eigenschaften, die wir an anderen beobachten und übertreiben, oft unsere eigenen, durch Freud’sche Projektion verborgenen Aspekte.

Wenn alle meine Parodien tatsächlich ein Teil von mir sind – vom kleinkarierten Spießer bis hin zum trotzigen Großgrundbesitzer – Hilfe! Dann bekommt das Wort Ich-AG eine ganz neue Bedeutung.

Sie geben Ihr Debüt bei den Passauer Starkbiertagen, freuen Sie sich schon auf eine frische Maß Bier?

Danke, aber ich bin seit jeher meine eigene Berauschung. Bier und ich – das ist wie Norden und Süden. Bierzelte samt Inhalt sind mein geliebtes Feindbild, gefolgt von – Religionen. Von einem Kreativen erwarte ich mir, dass er fünf Minuten in seinem Zimmer geht und sich seine eigenen Heiligen ausdenkt.

Die Brauerei Hacklberg befindet sich im Besitz des Bistums Passau. Insofern hat man mich wohl als eklektisch-spirituellen Kontrapunkt für dieses Spektakel engagiert.

In der Pressekonferenz hieß es: „Starkbierzeit bedeutet Spaß und Gemütlichkeit.“, Letzteres werde ich zu verhindern wissen. Ich freu mich drauf!

War Ihr Weg vorgezeichnet oder gab es auch mal einen alternativen Berufswunsch bei Ihnen, wollten Sie nie Lockführer werden?

Ich habe tatsächlich 3 Monate BWL studiert, dann aber festgestellt, dass Infinitesimalrechnung nicht mein Lieblingshobby ist. Ich werde als nie Vorstand der Deutschen Bahn werden. Zum Glück, sondern bekämen Fahrgäste vor jeder Abfahrt ungebeten eine Stunde Show.

Sie kennen Passau von einigen Auftritten, unter anderem im ScharfrichterHaus, wie gefällt es Ihnen in unserer Dreiflüssestadt?

Das Scharfrichterhaus ist eine meiner Lieblingsbühnen! Vieles hat begonnen, als ich dort das Scharfrichterbeil gewonnen habe. Und das schöne Passau selbst mit den drei Flüssen ist immer eine Reise wert. Gebt mir eine Bühne – ich komme!

Am Ende wie immer unsere INNSIDE-Flussfrage: Gibt es einen Fluss in Ihrem Leben, mit dem Sie sich identifizieren können?

Einen Fluss? Viele: Salzach, Donau, Nil… Ich nehme spontan den Inn, weil ich in Simbach am Inn aufgewachsen bin. Flüsse sind für mystisch: erfrischend, dunkel, reißend, geheimnisvoll, unergründlich und manchmal mit verborgenen Unterströmungen.

Ein Sprung in dieses kalte Wasser ist wie ein Live Gig:– du weißt vorher nie sicher, was passieren wird. Wie da überleben? Bruce Lee sagte: „Be water my friend!“ Bleib flexibel im Handeln und Denken. – das schreibe ich mir auf’s Hirn, dann kann’s der Zuschauer gleich mitlesen.

Die Fragen stellte Claudia Saller.